Dieser Tage zeigt die ARD jeden Montag eine Sendung namens „Der [hier Firmenname einfügen]-Check“. Darin werden Firmen unter die Lupe genommen und nach vier Kriterien betrachtet, Qualität und Fairness sind auch darunter. Gestern war nun H&M an der Reihe. Und nachdem ich in der letzten Woche beim McDonald’s-Check schon einige Bauchschmerzen1 hatte, hegte ich einige Befürchtungen zur Qualität des Beitrags.
Aber zuerst zu meinen Bauchschmerzen. Das McD nicht das beste Essen der Welt serviert, ist bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass es in mancher Filiale arbeitsrechtlich womöglich bedenklich zugeht. Das thematisierte auch der ARD-Bericht. Da hieß es dann, dass McDonald’s nur etwa ein Fünftel aller Filialen in Deutschland selbst betreibt und der Rest von Franchisenehmern unterhalten wird. Nun hat kaum ein System so viel Potenzial zum Missbrauch anzuregen wie Franchising, aber das soll hier nur eine untergeordnete Rolle spielen. Entscheidend war der nächste Satz. Aus den Franchisefilialen, so der Bericht weiter, kämen nämlich die schlimmsten Beschwerden von Mitarbeitern. Nicht verwunderlich, muss der Franchisenehmer doch neben den normalen Lohn- und Betriebskosten auch die Lizenz bezahlen, was seine Marge schmälert. Warum die ARD bei den dann folgenden arbeitsrechtlichen Beispielen aber nicht aufdeckt, ob es sich um Franchise- oder Konzernfiliale handelt, bleibt ihr Geheimnis.
Der eigentliche Hammer kam aber natürlich erst nach dem Marktcheck, als sich ein Haufen Leute, die mit Otto Normalverbraucher so viel zu tun haben, wie meine Wenigkeit mit Buzz Aldrin, mit dem wie stets unerträglichen Frank Plasberg darüber unterhalten durften, wie schlimm es doch ist, dass sich niemand mehr Zeit nimmt fürs Essen. Ja, da wurde gezetert, das McDonalds in Berlin Filialen gegenüber von Berufsschulen betreibt und die armen Berufsschüler geradezu mit vorgehaltener Waffe zwingt, dort zu essen. Freier Wille? Gibt es nicht.
Auch Pseudo-Promi Peer Kus…Kus…ach, der hier durfte noch darüber philosophieren, dass es doch traurig ist, dass nicht mehr Menschen in sein Restaurant kommen, in dem alles frisch zubereitet wird. Gut, da kann man dann auch nach Kusmagks Aussage 40 Euro pro Person lassen (ohne Getränke, versteht sich), aber das sei ja nicht so wichtig. Bei McDonald’s übrigens kann man zu jedem Gericht eine Kalorienangabe und weitere Daten wie Fettgehalt etc. bekommen.2 Ob das bei Kusmagks auch geht?
Die Runde litt jedenfalls unter gewaltigem Realitätsverlust. Aber es ist natürlich eine Schande, dass (Achtung, ein Beispiel) die alleinerziehende Mutter ihrem Kind nicht noch ein ordentliches Abendessen macht, nachdem sie von ihren zwei Jobs nach Hause kommt…
Soweit zu meinen McDonald’s-Bauchschmerzen. Gestern nun H&M. Nachdem die Urteile in den ersten drei Bereichen (u.a. Qualität) gar nicht so schlecht ausfielen, ging es in den Bereich Fairness. Also auf nach Bangladesh.3 Hier waren die Sendungsmacher ja auch für den Lidl-Test unterwegs, kannten also die Kleidungsfabriken samt zugehöriger Slums bereits.4 Ich will die Zustände in Bangladesh nicht schönreden, die kann man nicht schönreden. Dass da in den Fabriken übelster Manchesterkapitalismus am Werk ist und man die Zustände vermutlich eins zu eins bei Marx findet, scheint nicht abstreitbar.
Aber: Wenn man einen Bericht über H&M in Bangladesh dreht, dann in zwei Fabriken geht, in denen wirklich üble Zustände herrschen (Textilstaub in der Luft, unzureichende Lüftung, keine Atemschutzmasken), dort aber keinen Beleg findet, dass die Fabriken tatsächlich für H&M arbeiten – dann ist das eine Sache. Wenn man dann aber mit keiner Silbe auf die augenscheinlich besseren Zustände eingeht, die in der einzigen Fabrik herrschen, wo man tatsächlich H&M-Produkte findet, dann ist das tendenziös. Kommentarlos auf die Slums und die wirklich schlimmen Lebensbedingungen umzuschneiden, hat mit Ausgewogenheit nichts zu tun, sondern wirkt fast, als stünde das Urteil in diesem Bereich schon vorher fest. Dazu passt, dass es im Fazit heißt, die Arbeitsbedingungen in Bangladesh trübten die Freude an preiswerter Mode.
Hier wurde offenbar geschludert. Entweder die Bilder aus der „H&M“-Fabrik waren schlicht schlecht gewählt, oder man hat es – ob fahrlässig oder absichtlich ist nicht zu klären – unterlassen, sie richtig einzuordnen. So bleibt der fade Beigeschmack der teilweisen Vorverurteilung.
Das ist schade, denn das trübt das Bild einer augenscheinlich mit hohem Aufwand produzierten Sendereihe.
Die ganze Sendung kann sich noch in der ARD-Mediathek ansehen.