Eine Definition von Wahnsinn

ist es, immer dasselbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten. So zumindest Einstein. Nun ist der vielleicht kein Experte zum Thema Wahnsinn und auch ganz sicher nicht Freund der Berücksichtigung so genannter zufälliger Ereignisse, aber irgendeinen Einstieg muss man ja wählen. Einstein ist wohl auch kein großer Fußballexperte, zumindest lässt das Ergebnis einer entsprechenden Googlesuche solches vermuten. Dennoch soll es hier jetzt um Wahnsinn und Fußball gehen.
Im Fall des 1. FC Magdeburg ist nämlich schon länger der Wahnsinn ausgebrochen, zumindest nach Einsteinscher Definition. Das sieht dann so aus: In einer Saison spielt man mit einer Mannschaft, die über genau keinen kreativen Mittelfeldspieler verfügt ein 4-3-3 spielen. Dabei hat man Außenstürmer, die zwar schnell sind, aber a) zu selten zum Abschluss kommen, b) zu selten zur Grundlinie durchbrechen und c) keine ordentlichen Flanken schlagen können. Dabei werden die Außenstürmer noch durch Außenverteidiger unterstützt, die sich nach drei Spieltagen gar nicht mehr nach vorn wagen, weil sie (berechtigt) Angst haben, dass sie überlaufen würden. Da es ohne Kreative im Mittelfeld auch durch die Mitte schwer wird, reichte es nur zu 37 eigenen Treffern. Da man sich auch ganze 47 Gegentore fing, war eine Platzierung im vorderen Bereich quasi ausgeschlossen. Der Club erzielte also gerade einmal 1,09 Treffer pro Spiel1 Die Gegentore sind mit 1,35 pro Spiel noch im erträglichen Bereich, aber auch der schlechteste Wert seit 2002-03.
Nun aber zur Wiederholung der ganzen Sache, die ja erst den Wahnsinn bestätigt. Für die neue Saison behält man dann den Interimstrainer, der zwar immerhin 1,55 Punkte pro Spiel geholt hat, aber eben auch mit einer ausgeglichenen Torbilanz von 13:13 Toren – in 11 Spielen. Zu den Umständen von zumindest 6 dieser Punkte habe ich ja schon mal was gesagt.
Zu dieser Trainerentscheidung kommt dann noch eine Transferpolitik, an deren Ende der Verein mit denselben Mittelfeldspielern, derselben Innenverteidigung und quasi denselben Außenspielern in die neue Saison geht. Dazu hat man sich jetzt noch einen Stürmer mit Potential geholt, der – wie seine Vorgänger in der Vorsaison – in der Mitte verhungern darf. So zumindest sah das Ganze im Vorbereitungsspiel gegen Bohemians Střížkov so aus und machte nicht eben Mut für das erste Spiel gegen Hertha BSC II. Das fand nun am vergangenen Sonnabend statt und lieferte mit der 0-2-Niederlage das befürchtete Resultat. Aber der Reihe nach.
Um mit etwas positivem zu beginnen: Immerhin fast 5.200 Zuschauer wollten bei herrlichem Sonnenschein die Heimpremiere des zumindest umgebauten FCM sehen. Der Club begann in weißen, sponsorfreien Trikots, wobei man sich dabei eines weiß-schwarzen Templates des Ausrüsters bediente. Warum man nicht die ebenfalls existente weiß-blaue Version benutzte, wird wohl das Geheimnis der Verantwortlichen bleiben. Die Magdeburger vom Start weg das spielbestimmende Team, Herthas Reserve erstaunlich passiv. Im Laufe des Spiels wurde jedoch immer klarer, dass Magdeburg zwar optisch überlegen war, aus dieser Überlegenheit jedoch – wie gegen Bohemians – kein Kapital schlagen konnte. Anders als die Prager Gäste im Testspiel gelang kein Treffer aus einem Standard und auch der Schiedsrichter war nicht bereit, beim Rempler gegen Rodrigues auf Elfmeter zu entscheiden – was durchaus im Regelbereich gelegen hätte. Außer einem Lupfer von Krieger war leider nichts im Bereich „Torchance“ zu zählen. In Hälfte Zwei wurden die Herthaner aktiver, ohne jedoch wirklich selbst am Spiel teilzunehmen. Aber sie störten Magdeburg früher, so dass nun noch weniger Spiel nach vorn statt fand. Das war wahrlich Fußball zum Abgewöhnen: Hertha wollte nicht, Magdeburg konnte nicht besser. Und wie sagt die alte Fußballweisheit – was du vorn nicht machst, kriegst du hinten rein. In der 79. Minute überlaufen die Berliner die Magdeburger Verteidigung, weder Neumann noch Kapitän Bauer können entscheidend stören und es steht 0-1 durch Kiesewetter. Als der junge Herthaner kurze Zeit später von Scharlau im Strafraum leicht touchiert wird, zeigt der Referee dann auf den Punkt. Ein Elfmeter der Qualität, den er Magdeburg in Hälfte eins noch verweigert hatte, aber was hilft das jetzt? Hertha verwandelt und auch der kurz vor dem ersten Gegentor eingewechselte Wolf schafft es nicht, das Spiel noch einmal umzubiegen. Letztlich verliert Magdeburg verdient, weil die Mannschaft es nicht verstanden hat aus der Passivität der Gäste in irgendeiner Form Kapital zu schlagen.
Fraglich ist, wie lange die Mannschaft ihren neuen Mut zum Spiel – denn es wird deutlich häufiger als in der Vorsaison versucht, Probleme spielerisch zu lösen – durchhält, wenn sich Negativerlebnisse wie gegen Hertha wiederholen. Der Mut zum Spiel rührt nämlich wohl kaum aus neu entdeckten Fähigkeiten her, sondern wohl eher aus dem durch die „erfolgreiche“ Vorbereitung gewonnenen Selbstvertrauen. Sollte das nach einigen Spieltagen weg sein, wird die Mannschaft wie schon in der letzten Saison in ein Loch fallen.
Aus dem Ergebnis ergeben sich nun natürlich einige Fragen an die sportlich Verantwortlichen. So müssen sie sich fragen lassen, warum Dawid Krieger so lange in der Luft hängen gelassen wird und ihm nicht ein zweiter Stürmer zur Seite gestellt wird. Eine weitere Fragestellung ergibt sich aus dem Statement von Kapitän Bauer nach dem Spiel, die Mannschaft sei gegen Ende platt gewesen. Wie kann das sein, wo doch die härteste Vorbereitung aller Zeiten absolviert wurde? Mittlerweile ist es ja zu spät noch etwas daran zu ändern, aber warum wurde in der Vorbereitung auf einen Gegner verzichtet, der eine Herausforderung für die Defensive dargestellt hätte?
Wenn zumindest auf die ersten beiden Fragen keine Antworten gefunden werden, dürfte es für den Trainer Sandhowe sehr schnell sehr ungemütlich werden. Sicher ist es vermessen, nach einem Spiel den Kopf des Trainers zu fordern. Ich tue das trotzdem – ich habe schließlich schon seit Sandhowes Einstellung im März gesagt, dass der Mann dem Verein nicht weiter hilft. Da sind verlorene Spiele keine neuen Fakten, sondern nur Bestätigung.


  1. Übrigens der fünftschlechteste Wert der Vereinsgeschichte. Schlimmer war es nur 1959, in der DDR-Liga, 1963-64 und 1965-66 (mit 0,73 der Negativrekord) in der DDR-Oberliga, sowie mit 1,06 in der Saison 2002-03 als der Club nach Insolvenz praktisch mit der zweiten Mannschaft antrat. 

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