Beschaulich

Vor einigen Wochen schrieb ich ja noch, dass Rechthaben doof sei. Zwischenzeitlich schwankte ich in dieser Auffassung, aber letztlich stellte ich fest, dass sie wohl doch richtig ist.
Nach der Auswärtspleite gegen den Berliner AK gewann der 1. FC Magdeburg gegen die Germania aus Halberstadt mit 3–1 und zeigte dabei Ansätze von Dingen, die ich an dieser Stelle schon länger einfordere: Pressing, hohes Verteidigen und direktes Spiel. Leider nur in Ansätzen und auch nur so, dass mancher schon befürchtete mit einem unbefriedigenden 1–1 im Rücken nach Hause gehen zu müssen, trotz Halberstädter Unterzahl. Letztlich gelangen dann doch zwei Tore und ich ging mit der leisen Hoffnung in die Folgewoche, dass der Trainer doch das Licht gesehen und seine Fehler erkannt hätte. Aber ach…

Nicht zufrieden mit nur einem FCM-Spiel im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im August hatte der Spielplanerzufall zwei Wochen nach dem Berliner AK die Paarung gegen die zweite Mannschaft von Union Berlin angesetzt. Dort war dann von den Ansätzen nichts mehr zu sehen. Zwar geriet der Matchplan von Trainer Petersen schon frühzeitig aus den Fugen, als Nennhuber einen langen Ball unterlief und Berlin schon nach drei ganzen Minuten in Führung ging, aber auch das entschuldigt das blutleere und pomadige Auftreten im weiteren Verlauf nicht. Die Frage ist auch, weshalb der Trainer einfach auf seiner Bank sitzenbleibt und nicht eingreift, obwohl sich sein Matchplan nach eigener Aussage nach dem Gegentor nicht mehr umsetzen ließ. Auch nach dem 0–2 änderte sich diesbezüglich nichts. Stattdessen wartete der Trainer bis zur 40. Minute, bevor er Lars Fuchs zum Aufwärmen schickte – der dann nach der Halbzeit kam. Da stand es nach einer unnötigen Abwehraktion von Handke durch Elfmeter aber schon 0–3. Während Fuchs durchaus für Belebung sorgte, konnte auch er nicht für mehr sorgen als das 1–3 aus Magdeburger Sicht. Die mitgereisten Fans erlebten also ein Déjà vu der ganz bitteren Sorte. Immerhin hatte Petersen im Gegensatz zum BAK-Spiel keine ganz starke Magdeburger Mannschaft gesehen, sondern regte sich im Gegenteil furchtbar über die naive Abwehr auf. Nun ist das zwar richtig, dass die Gegentore nach individuellen Abwehrfehlern entstanden, aber ihre Ursache liegt tiefer: Nämlich in der nach wie vor vorhandenen Tendenz, den ballführenden Gegner bis zum Strafraum Geleitschutz zu geben und ihn erst dann anzugreifen.
Zu allem Überfluss wurde Petersen auf der Pressekonferenz noch befragt, ob sich Fuchs, der sowohl gegen Halberstadt als auch gegen Union das Spiel belebt habe, gegen Jena einen Startelfeinsatz verdient habe. Die Antwort lässt, so denke ich, tief blicken. Nach einem absoluten Grottenspiel, in dem man kaum einen Spieler positiv gesehen haben kann, fragte Petersen, wen er denn stattdessen draußen lassen solle…

Diese Entscheidung wurde ihm vor der Partie gegen Jena abgenommen, den Viteritti verletzte sich am Sprunggelenk und musste passen. Folgerichtig stand Fuchs in der Startelf, ebenso wie der endlich genesene Schiller, der Nennhuber in der Innenverteidigung ablöste. Mit Jena kam der einzige Verein der Regionalliga Nordost, der bekannt hatte, aufsteigen zu wollen. Allerdings waren auch die Jenaer nicht gut in die Saison gestartet. Zwar gab es in den ersten vier Spielen keine Niederlage, aber dafür eben auch drei Unentschieden, so dass der Abstand zur Tabellenspitze immer größer wurde. Zu groß für die Vereinsführung, die Trainer Sander (übrigens großer Petersen-Freund) und Co-Trainer Hoßmang von ihren Aufgaben entband.
Am Sonntag traten beide Mannschaften dann vor etwa 136.000 Zuschauern zum Spiel an.1
Hier gehen nun die Meinungen auseinander, wie man das Spiel und das Geschehen drumherum beurteilen soll. Da dies aber mein Blog ist, gibt es hier auch ganz exklusiv meine Meinung. Kurz gesagt: Das Beste am Spiel waren Ergebnis (2–0) und die beiden Tore. Leider trat die Mannschaft wieder genauso auf wie in den Partien zuvor. Man überließ dem Gegner das Spielfeld bis etwa 25 Meter vor der Grundlinie, wo der Ballführende dann doch einmal gestört wurde. Dass das zu spät und zu weit hinten ist, habe ich schon mehrfach angemahnt, aber offenbar scheint der Trainer da anderer Meinung zu sein.2 In der ersten Hälfte gingen beide Mannschaften ein recht hohes Tempo, wobei sich Magdeburger Angriffe eher zufällig ergaben als dass sie planmäßig herausgespielt worden wären. Hier konnte sich Fuchs auch noch nicht so zeigen, deutete aber durch seine Ballbehandlung und -behauptung ein ums andere Mal an, dass er die Mannschaft auf ein anderes Leistungsniveau heben kann. Die Passivität führte dann auch zu einer Schafeinlage, die eigentlich die Jenaer Führung zur Folge haben musste. Ein Einwurf erreicht einen völlig freistehenden Jenaer im Magdeburger Strafraum, Tischer pariert den Ball, rauscht dann aber in den Spieler hinein – es gibt Elfmeter. Den hält der Magdeburger Torhüter denn auch, da er sich für die richtige Ecke entscheidet, dennoch ist ab diesem Moment erst einmal jede Menge Hektik im Spiel. Das ändert sich auch bis zur Halbzeit nicht mehr, ohne dass eine der Mannschaften noch einmal gefährlich vors Tor käme.
In der zweiten Hälfte muss Jena dann dem hohen Tempo Tribut zollen,3 so dass sich mehr Räume für die Magdeburger ergeben. Das hätte sich in der 53. fast ausgezahlt, aber Sowislos Kopfball konnte Berbig im Jena-Tor noch parieren, war aber Minuten später machtlos. Da setzte sich Fuchs im Strafraum gegen drei Mann durch, flankt auf Beck, der völlig freistehend per Kopf zum 1-0 einnetzt. Danach musste Tischer bei einem Freistoß gegen Elfmeterverschießer Peßolat parieren, hielt auch den Nachschuss, der aber eh aus dem Abseits kam, so dass der Club auch diese kritische Minute überstand. Auf der Gegenseite eroberte der eingewechselte Schmunck an der Mittelinie den Ball (ja, Pressing war’s, genau) und passte auf Fuchs, der Peßolat austanzte und den Ball anschließend per Außenrist am Torhüter vorbei ins lange Eck schlenzte. Minuten später wurde Fuchs dann ausgewechselt – und bekam den ihm zustehenden Applaus. Der Club gewinnt die Partie letztlich verdient, allein: Es war kein gutes Spiel, sondern schlicht more of the same. Gegen Gegner, die nicht selbst gewinnen wollen, sondern abwartend spielen, ist mit der Taktik und Einstellung vom Sonntag kein Staat zu machen. Erst die nächsten Auswärtsspiele werden zeigen, ob sich diesbezüglich etwas ändert.

Einige Bemerkungen noch zum Trainer und dessen Darstellung in der Öffentlichkeit. In der Halbzeitpause des Jenaspiels wurde Sportdirektor Kallnik interviewt und äußerte die Hoffnung, dass er zwischen Trainer und dem suspendierten Marco Kurth vermitteln könne. Unmittelbar nach Abpfiff wiederholte der Trainer dann aber noch einmal, dass Kurth unter ihm nicht mehr spielen würde. Hier möchte ich ihm zugute halten, dass er wahrscheinlich nicht über die Äußerung seines Vorgesetzten informiert war. Wofür ich allerdings keine Entschuldigung habe, sind Petersens Äußerungen zu Fuchs. Zunächst kürte der Trainer Tischer zum Matchwinner, nicht etwa Fuchs. Zwar hat Tischer die Mannschaft im Spiel gehalten, aber schließlich hat ja auch nicht irgendwer den Elfmeter verursacht, sondern Tischer. Das soll die Leistung nicht schmälern, ist aber für die Perspektive wichtig. Fuchs hingegen legt ein Tor auf und erzielt ein weiteres…
Dass es der Trainer dann nicht einmal schafft, Fuchs auf der Pressekonferenz einfach zu loben, sondern erst einmal von einer soliden Mannschaftsleistung fabuliert, als ob man niemanden herausheben könne, setzt dem Fass die Krone auf. Koppelt man das mit seiner Postmatch-Aussage, man habe gesehen, dass Fuchs eben noch nicht Luft für 90 Minuten habe,4 fragt man sich schon, ob die Auswechslung tatsächlich den Zweck hatte, Fuchs den ihm ja tatsächlich zustehenden Sonderapplaus zu gewähren…

Kurz zusammengefasst hat der Sieg gegen Jena meine Meinung zum Trainer nicht verbessert, seine Aussagen nach Spielschluss haben sie eher noch verschlechtert. Aber der Trainer möchte ja weiter „beschaulich“ seinen Weg in Magdeburg gehen…


  1. 130.000 an den Fernsehschirmen, dank Liveübertragung, etwas über 6.000 im Stadion 

  2. Das ist sein gutes Recht. Genauso ist es meins, ihn deswegen für unbelehrbar und unfähig zu halten. 

  3. So zumindest deren Trainer. Eigentlich ja komisch, nach nur 45 Minuten… 

  4. Derselbe Fuchs, den er in der 89. Minute ausgewechselt hat? 

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