Oder. Auch. Nicht.

Ich hätte es wissen müssen. Zum Ende der Vorbereitung schrieb ich in einem FCM-Fanforum meine Überzeugung nieder, dass die Mannschaft das Potential hat, uns1 viel Freude zu bereiten in dieser Saison.
Nun ist ein Drittel aller Spiele absolviert und mein Herzensverein steht vor den Trümmern eines Vorhabens mit dem Titel „Meisterschaft“. Aber der Reihe nach.

Zum Ende der letzten Saison entschied man sich beim 1. FC Magdeburg, den Vertrag mit Cheftrainer Andreas Petersen nicht zu verlängern. Ein durchaus legitimer Schritt, insbesondere auch, wenn man ins Auge fasst, dass sich Petersen nicht in der Lage sah, die für einen Trainer in der 3. Liga nötige Lizenz zu erwerben. Da der FCM aber genau dahin möchte – und es darüber hinaus auch einige Unstimmigkeiten gab – waren die Würfel wohl recht schnell gefallen. Nachfolger wurde Jens Härtel, der mit dem Berliner AK in der Regionalliga Furore gemacht hatte. Neue Spieler kamen natürlich auch, Stammspieler wurden praktisch keine abgegeben. Auf dem Papier war der 1. FC Magdeburg 2014–15 besser aufgestellt als in der Saison zuvor.
Ein kleiner Wermutstropfen war aber, dass kein Spieler verpflichtet wurde, der die seit Jahren klaffende Lücke des Spielgestalters oder Taktgebers schließen könnte. Letztlich war der FCM aber in der Vorsaison auch ohne einen solchen Spieler ausgekommen, vielleicht ginge das ja in diesem Jahr auch?

Das erste Pflichtspiel war ein Pokalauftritt bei Saxonia Tangermünde. Deren Spielklasse kennt der FCM nur vom Hörensagen, aber dennoch taten sich Härtels Männer schwer, dort den Weg zum Tor zu finden und ihr Spiel durchzudrücken. Klassenunterschied sei Dank sprang dennoch ein deutlicher Sieg heraus. Es schlichen sich jedoch bei manchen erste Bedenken ein, ob denn die zurückhaltende Spielweise den nötigen Erfolg bringen würde. Die beiden folgenden Ligapartien gerieten zum Desaster. Gegen Union Berlin konnte die Mannschaft einen zwischenzeitlichen 1-2-Pausenrückstand noch zu einem 3-2 drehen, aber im folgenden Auswärtsspiel in Halberstadt unterlag der Club mit 2-4. Zwar waren die Elbestädter in Führung gegangen, zeigten aber ein derart pomadiges, planloses Spiel, dass einem angst und bange werden konnte. Folgerichtig drehten die engagierten Vorharzer die Partie und die erste Auswärtspleite war perfekt.
In diese Krisensituation hinein kam das DFB-Pokal-Spiel gegen den Bundesligisten FC Augsburg. Die Augsburger brachten gegen eine ungewohnt diszipliniert und konzentriert auftretende Magdeburger Mannschaft rein gar nichts zustande und verloren folgerichtig mit 1-0. Gut für das Bankkonto, aber wer geglaubt hätte, dass dieser Sieg in der Liga Selbstvertrauen geben würde, sah sich getäuscht. Zwar gelangen gegen harmlose Babelsberger und früh dezimierte Meuselwitzer zwei Heimsiege, aber davor kam eben schon wieder ein unnötiges 2-2 in Plauen, wo der Club auch seit Jahren schlecht aussieht. Dennoch stand der Club auf Platz 2 der Tabelle.
Und dann wurde es richtig bizarr. Statt des Auswärtsspiels beim FSV Zwickau musste der FCM aussetzen. In Zwickau, nach 5 Spieltagen immerhin Tabellenführer, fand am designierten Spieltag ein Sportfest statt – im Stadion des FSV. Eine Spielverlegung auf Sonntag war nicht möglich, da die Polizei da schon die Partie des FC Hansa in Chemnitz absichern musste – und so musste der Leistungssport dem Breitensport weichen und die Paarung in den Oktober verlegt werden. Das bedeutete zudem, dass der FCM einerseits drei Wochen keine Pflichtspiele bestreiten würde, zum Ausgleich aber dann gleich drei Auswärtspartien hintereinander auf dem Plan stünden. Keine idealen Voraussetzungen, wenn man erst einen Punkt auswärts geholt hat. Es kam dann auch, wie es abzusehen war – alle drei Spiele gingen verloren, der Aufstiegskandidat 1. FC Magdeburg fand sich auf Platz 11 wieder, zehn Punkte hinter Tabellenführer Zwickau und ganze vier Punkte vor der TSG Neustrelitz, dem nächsten Gegner – und damit auch dem ersten Abstiegsplatz.

Nun habe ich ja in meinem Leben schon das ein oder andere Fußballspiel erlebt, aber was der 1. FC Magdeburg seinen Fans im heutigen Heimspiel gegen eben diese TSG angeboten hat, sucht in meiner Erinnerung seinesgleichen. Wo man erwarten könnte, dass nach neun Spieltagen ein gewisses Maß an Zusammenspiel sichtbar ist, kam – nichts. Wo man trotz aller Verunsicherung zumindest Laufbereitschaft und Kampf erwarten konnte – musste man danach suchen. Wo man nach Monaten der Arbeit mit der Mannschaft eine Handschrift des Trainers sehen sollte, gab es nur Chaos, Planlosigkeit und Hektik.

Der 1. FC Magdeburg befindet sich momentan in der tiefsten Krise seit dem Ende der Ära Ullrich, die den Club seinerzeit auf Platz 18 einlaufen sah. Ursache der Krise sind die indiskutablen Ergebnisse und Leistungen, die die im Kern aus dem Vorjahr bekannte Mannschaft einführt. Was aber sind die Ursachen der Leistungen?
Auf einem Fanabend unter der Woche sprach Manager Kallnik unter anderem davon, dass einige Spieler mit der neuen Feedback-Kultur nicht klar kämen, in der nicht nur gelobt, sondern auch Verbesserung gefordert wird. Auch dass man in Bezug auf die Spielphilosophie der Mannschaft entgegenkommen und sie abholen müsse, wurde da erwähnt. Aber so wie die Mannschaft heute aufgetreten ist, hat das nichts mit beidem zu tun. Da sind Spieler auf dem Platz, die nur noch der Schatten ihrer selbst aus der Vorsaison sind, ob sie nun Hammann, Lange oder Beck heißen. Es sind Spieler auf dem Platz, deren Defizite nicht dadurch geringer werden, dass sie eine Kapitänsbinde tragen.2 Und es sind Spieler auf dem Platz, die der Mannschaft unbedingt helfen wollen und es darum auf allen möglichen Positionen versuchen und dabei womöglich die Ideen des Trainers auch nicht zu 100% umsetzen.
Ich habe heute und in den zurückliegenden Wochen den Eindruck gewonnen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder, die Mannschaft versteht nicht, was der Trainer von ihr möchte. Oder der Trainer kann es der Mannschaft nicht vermitteln. Die Lösung in beiden Fällen ist pragmatisch und einfach: Der Trainer muss gehen. Im ersteren Fall ist zwar die Mannschaft die Crux, aber man kann nicht über 20 Personen entlassen – und im zweiten Fall ist der Trainer eh der Schuldige.

Wie erwähnt ist ein Drittel der Saison vorbei. In meinen Augen hat es keinen Sinn mehr, Jens Härtel weiter arbeiten zu lassen. Die Krise hat sich in den Wochen seit dem Spiel beim Berliner AK nicht entspannt, sondern die Lage ist kontinuierlich schlimmer geworden, bis hin zum heutigen sportlichen Offenbarungseid. Ich sehe nicht, warum das über noch mehr Spiele gesehen besser werden sollte. Der Trainer ist nicht in der Lage, die Mannschaft so einzustellen, wie es für einen erfolgreichen Regionalligafußball notwendig ist. Das fängt mit der Rolle des Kapitäns an, der offenbar nicht weiß, ob er das gegnerische Spiel zerstören oder das eigene lenken soll, und endet noch lange nicht bei der Frage, welche Rolle Lars Fuchs spielen soll, der zumindest heute den Stürmer, die hängende Spitze, den Außenstürmer und den Libero (!) gegeben hat. Ich bin mir sicher, dass Härtel ein guter Trainer ist – aber hier passt es einfach hinten und vorne nicht. Das war so aber auch nicht abzusehen und daher möchte ich mich explizit nicht den Zeitgenossen anschließen, die zusammen mit Härtels Rücktritt auch den von Sportdirektor/Schatzmeister/Manager/whatever Kallnik fordern.

Der Verein hat in meinen Augen jetzt nur eine Möglichkeit: Marco Kurth das Traineramt anzutragen. Co-Trainer Thielemann war schon mal Cheftrainer in einer ähnlichen Situation3 und seine Resultate waren ähnlich schwach, manch einen Beobachter erinnert der FCM heute fatal an die Thielemannzeit. A-Jugend-Trainer Hoßmang hat in seiner Trainerkarriere noch genau gar keine Erfolge vorzuweisen und ist nicht nur mir maßlos unsympathisch.4 B-Jugend-Trainer Kurth ist dagegen mit der U17 des Club in die Bundesliga aufgestiegen und belegt da momentan einen guten Mittelfeldplatz. Er ist also zwar ein junger, im Männerbereich unerfahrener Trainer, hat aber immerhin schon einmal erfolgreich gearbeitet. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, sofort zu handeln und Kurth zumindest bis zur Winterpause die Herrenmannschaft trainieren zu lassen. Undankbar ist die Aufgabe allemal. Noch zwei Heimspielen bis zum Jahresende stehen vier Auswärtsspiele gegenüber. Und von denen finden auch noch drei in Berlin statt.5

TL;DR: Härtel hat seine Chance gehabt, es ist Zeit für die Notbremse – und die sollte Kurth heißen.


  1. den FCM-Fans 

  2. Natürlich ist das keine Kritik an der Person, sondern nur an der Leistung. 

  3. Die Mannschaft schnitt viel schlechter ab als zu erwarten war und der Cheftrainer wurde entlassen 

  4. Ist zwar kein Maßstab, aber hey, das hier ist mein Blog, verdammt. 

  5. siehe FCM-Berlintrauma, das 

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