Nach längerer Zeit mal wieder ein Beitrag in dieser Kategorie1
In letzter Zeit häufen sich in der Magdeburger Volksstimme – woanders ist es mir zumindest noch nicht aufgefallen &ndash Bildunterschriften und Dachzeilen, in denen eine im Deutschen wohl unübliche und jedenfalls merkwürdig klingende Struktur verwendet wird. Es handelt sich um den Nominativ ohne Artikel. Diese Struktur ist noch nicht merkwürdig, wenn es sich um ein einzelnes Wort handelt, das da im Nominativ steht: „Dichter Nebel schrieb einen neuen Gedichtband“. Wenn es sich aber um Wortgruppen handelt, wirkt die Konstruktion zunehmend bizarr. Sätze wie „Plastischer Chirurg geht in Ruhestand“ funktionieren noch, aber „Plastischer Chirurg Dr. Peter Müller2 geht in Ruhestand“ gehen irgendwie gar nicht, genausowenig wie „Stellvertretender Bibliotheksleiter Johann Schmitt sagte…“ und so weiter. Ich kann die Motivation hinter dieser Konstruktion auch nicht nachvollziehen. Die erste Vermutung, es seien Platzgründe, zerschlägt sich, denn zumindest beim Chirurgenbeispiel handelt es sich um eine Dachzeile, in der noch genügend Platz für den Artikel „Der“ gewesen wäre. Genauso beim Bibliotheksleiter, wo der Artikel ebenfalls noch Platz im Artikel gefunden hätte.
Es ist auch nicht so, dass dieses stilistische Unglück nur ein Autor benutzen würde, was man noch mit persönlichem Stil erklären könnte,3 sondern es ist vielmehr so, dass sich das Phänomen bei mindestens drei verschiedenen Autoren findet.
Ich habe ja persönlich die Vermutung, dass es ich um eine Übernahme einer stilistischen Wendung handelt, die im Englischen durchaus üblich ist. Dort ist es – auch aufgrund der fehlenden unterschiedlichen Substantivformen in verschiedenen Fällen völlig unproblematisch, ja sogar absolut üblich, vor der Kombination aus Berufsbezeichnung und Name den Artikel wegzulassen. Was dort geht, geht im Deutschen aber eigentlich nicht, da sich mit dem Weglassen des Artikels die Form der Wörter ändert.4 Ich habe diese Konstruktion auch noch in keinem anderen Medium gefunden und kann daher nur hoffen, dass sich das nicht durchsetzt.
Das war’s für heute. Oh Gott, ich klinge schon wie einer dieser „Sprachpfleger“.
Ich glaub, ein 1000-Seiten-Werk wird das Wörterbuch nicht mehr. ↩
Name vom mangelnden Gedächtnis des Autors geändert ↩
Wobei ungrammatikalisch sein beim Schreiben eines Zeitungsartikels sich nur schwer mit persönlichem Stil verteidigen lässt, finde ich. ↩
Vergleiche „Der plastische Chirurg Dr. Peter Müller“ und „Plastischer Chirurg Dr. Peter Müller“ ↩