Schlagwort-Archiv: Kultur

Ach Machdeburch…

Mein Machdeburch, was ist bloß los mit dir?
Oder genauer, was ist los mit deinen Bewohnern?
Nicht nur, dass sich die Bewohner des Mischgebiets Altstadt darüber beschweren, dass es da abends etwas lauter zugeht und so dafür sorgen, dass das Kulturangebot in Magdeburg etwas zurückgeht (nachzulesen hier -pdf-), nein auch Investoren wird gern mal ein oder mehrere Steine in den Weg gelegt.

Aber erläutern wir das etwas genauer. Vor einigen Jahren spielte der 1. FC Magdeburg in einem Ausweichstadion, da ein neues Stadion gebaut und das eigentliche Heimstadion dafür abgerissen wurde. In unmittelbarer Nähe dieses seit 1922 existierenden Stadions befindet sich eine kleine Eigenheimsiedlung. Nun sollte man meinen, dass die Bewohner dieser Siedlung sich auf sportveranstaltungstypischen Lärm einstellen müssten, stand das Stadion schließlich schon, bevor die Häuser gebaut wurden und die Bewohner einzogen… Das hielt zumindest einen Bewohner nicht davon ab, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, die die Lautsprecherdurchsagen im Stadion derart in ihrer Lautstärke einschränkten, dass man gar nichts mehr verstehen konnte. Das hielt zwar nur ein paar Wochen, war aber a) ein Sicherheitsrisiko und b) vermutlich auch ein Verstoß gegen die Auflagen des DFB, der eben solche Systeme vorschreibt, damit wichtige Informationen ans Publikum weitergegeben werden können, insbesondere wenn es zu irgendwelchen Problemen auf den Rängen kommt. Die Anekdote illustriert allerdings den besorgniserregenden Trend, dass in dieser Stadt viele sich selbst die nächsten sind.

Nächstes, etwas anders gelagertes Beispiel: Im Juni 2010 kündigte die Telekom an, bei Magdeburg ein riesiges Rechenzentrum zu errichten und parallel das in Magdeburg bereits existierende als Backup auszubauen. Das rief natürlich die Anwohner auf den Plan. Die Stadt hatte die Flächen in der Nähe des bestehenden Rechenzentrums nämlich als Bauland ausgewiesen. Die jetzigen Anwohner werden sich sicher über die verhältnismäßig günstigen Preise gefreut haben – und sicher haben sie nur übersehen, dass ihre Baugrundstücke an ein Industriegebiet grenzen… In jedem Fall beschwerten sich die Anwohner bitterlich und versuchten die Telekominvestition zu verhindern, angeblich würde durch den Schattenwurf des Gebäudes die Sonnenscheindauer auf ihren Grundstücken eingeschränkt.

Über den abgelehnten Bau der Ullrichskirche wegen Grünflächenerhalt, Schattenwurfvermeidung und Innenstadtbelüftung lege ich an dieser Stelle den Mantel des Schweigens.

Vor einigen Tagen nun gab das Magdeburger Café Central bekannt, dass es keine lauten Veranstaltungen mehr durchführen dürfe, da es Beschwerden aus der Nachbarschaft gegeben hätte und das Ordnungsamt dementsprechend tätig wurde. Unbestritten ist, dass es sich beim Central um eine Schankwirtschaft handelt und nicht um einen Veranstaltungsort. Allerdings ist das Central eben auch eine etablierte, über die Stadtgrenzen bekannte Einrichtung, eben weil dort viele, gute Veranstaltungen stattfinden.
Hier haben wir es wieder mit dem alten Konflikt Nachtruhe vs. Nachtleben zu tun. Hier muss sich die Stadt fragen lassen, warum sie einerseits mit dem vielseitigen Kulturleben am Hasselbachplatz und in dessen Umfeld Werbung für die Stadt macht, es andererseits aber nicht hinbekommt, Bedingungen zu schaffen, in denen ein geregelter regelmäßiger Kulturbetrieb möglich ist, der nicht von einem oder mehreren Anwohnern torpediert werden kann. Natürlich gibt es Vorschriften, an die man sich halten muss – klar muss aber auch sein: Die Innenstadt und insbesondere die Gegend um den Hasselbachplatz sind die zentralen Orte Magdeburger Nacht- und Kneipenlebens. Wer dort hinzieht, muss mit lauteren Wohnbedingungen rechnen als in Domersleben.1 Problematisch ist vor allem die Tatsache, dass es offenbar nicht nötig ist, den Nachweis zu führen, dass eine Veranstaltung tatsächlich zu laut ist, z.B. über eine Lärmmessung, sondern dass es offenbar ausreicht, sich beim Ordnungsamt zu beschweren. Eine leichte Umkehrung der Beweislast zu Ungunsten des Beschuldigten, würde ich sagen.

Kurzes Zwischenfazit: Aber auch hier zeigt sich – ein Teil der Magdeburger, leider ein lautstarker,2 denkt eben zunächst an sich und seins und nicht an die Stadt.

In der heutigen Volksstimme fand sich dann ein Beitrag, der mich zu diesem Blogeintrag…nun, nicht inspiriert, eher schon gezwungen hat. Da hat doch die Stadt tatsächlich Pläne für die Bebauung des ehemaligen SKET-Geländes und zur Sanierung der so genannten Buckauer Insel im Süden der Stadt vorgestellt. Und was soll ich sagen – es gab natürlich Kritik von den Anwohnern. Die Sanierung des Wohngebiets ist aber weniger das Problem, nein, es geht um die Bebauung des SKET-Geländes, also eines Industriegeländes, wo zu DDR-Zeiten einer der größten Betriebe der Stadt seinen Sitz hatte. Das will die Stadt nun als Gewerbe- und Industriegelände ausweisen. Dazu muss aber natürlich auch verkehrstechnisch erschlossen werden – und so entschloss sich die Stadt, den Fermersleber Weg als Zufahrt auszubauen. Dieser sei der kürzeste Weg zum Magdeburger Ring, einer Art Stadtautobahn. Aber ach und je, am Rande des Fermersleber Wegs wohnen natürlich auch Menschen – wenngleich nur wenige, ein Großteil der Straße läuft entlang eines Friedhofs, Sportplatzes und des Universitätsgeländes. Warum will also die Stadt dieses Gelände als Industriegelände ausweisen? Weil es konkretes Interesse eines Maschinenbaubetriebs gibt, sich eben dort anzusiedeln. Zuletzt kommt im Artikel noch der frühere Oberbürgermeister der Stadt, Willi Polte, zu Wort. Er stellt fest, dass man eben Kompromisse schließen müsse, wenn Investoren kommen und Arbeitsplätze schaffen wollen. Und da hat der Mann recht.3

Letztlich kann man nicht immer ein „das geht aber nicht“ entgegen werfen, wenn es um Veränderungen geht. Ein „das geht aber so nicht“ ist ja akzeptabel, öffnet es doch die Möglichkeit des Kompromisses. Davon ist man in der Stadt Magdeburg aber weit entfernt. Und so, liebe Mit-Magdeburger wird das mit der Stadt hier nie was.


  1. no offense 

  2. Oho, welch Ironie 

  3. ™ Kurt Tucholsky 

Zusammenhänge…

1982: Deutschland ist wirtschaftlich nicht in Topzustand.
Am 24. April 1982 gewinnt Nicole in Harrogate den Eurovision Song Contest für Deutschland. 161 Punkte aus den 18 Teilnehmerländern bedeuten Platz 1, ganze neun Länder vergeben die Höchstpunktzahl an die deutsche Kandidatin.
Einhundertundsechzig Tage später, am 1. Oktober, spricht der deutsche Bundestag Kanzler Helmut Schmidt das Misstrauen aus und wählt Helmut Kohl zu seinem Nachfolger.

2010: Deutschland ist wirtschaftlich nicht in Topzustand.
Am 29. Mai 2010 gewinnt Lena in Oslo den Eurovision Song Contest für Deutschland. 246 Punkte aus den 39 Teilnehmerländern bedeuten Platz 1, ganze neun Länder vergeben die Höchstpunktzahl an die deutsche Kandidatin.
Einhundertsechzig Tage später, am 5. November, …

Warum ich Kisch lese

Schon immer haben mich Journalisten fasziniert. Damit meine ich jetzt nicht solche, die täglich die Seiten der Zeitungen dieser Welt mit Belanglosigkeiten füllen, sondern solche, die im Night Court sitzen und denen Merkwürdigkeiten auffallen, als fünf Männer dem Haftrichter vorgeführt werden. Solche, die es unverantwortlich finden, Menschen aus dem Militär wegen angeblicher Sicherheitsgefährdung zu entfernen und generell Angriffe gegen die Gewissensfreiheit verurteilen.

Nun ist Kisch auch ein Journalist gewesen. Einer, der in wahrlich interessanten Zeiten gelebt hat – wobei ich nicht glaube, dass er es im Sinne des chinesischen Fluchs aufgefasst hat. Kisch ist in Prag geboren, Sohn einer sephardischen, deutschsprachigen Familie. Da wird es schon interessant, denn Prag, von dem er viel erzählt, ist seinerzeit eine effektiv zweisprachige Stadt, mit Deutschen und Tschechen und den im erwachenden Nationalismus begründeten Konflikten. Da liegt für mich auch das erste Faszinosum, denn Kisch beschreibt eben ein Prag, das es nicht mehr gibt, mit seinem starken deutschen Einfluss – wer in Prag mal in einem Antiquariat war, bekommt noch einen guten Eindruck davon, wie stark der deutschsprachige Anteil der Buchleser war, es gibt Unmengen an deutschsprachiger Literatur.
Interessant bei Kisch ist auch die klare Parteinahme für die Armen und Kriminellen in seiner Zeit. Dies umso erstaunlicher, da die Familie Kisch dem Vernehmen nach nicht eben schlecht gestellt war, so dass alle Voraussetzungen zu einem Leben jenseits der Beschäftigung mit Armut, Obdachlosenasylen und Irrenhäusern gelegt waren.
Kisch schrieb in Prag für mehrere Zeitungen, dem Prager Tagblatt und der Bohemia, und zwar als Lokalreporter. Seine Artikel haben einen hochinteressanten Stil, eine „gute Schreibe“, der mit viel Augenzwinkern gespickt ist – mitunter vielleicht für den heutigen Leser zu viel. In diesen frühen Artikeln, die Kisch später umgearbeitet und in Buchform veröffentlichte, ist noch nicht viel von einer politischen Gesinnung per se zu finden, aber seine soziale Gesinnung wird offenbar, zum Beispiel in dem er viele kriminelle Machenschaften durch die Lebensumstände des Täters erklärt und nicht von einer naturgegebenen Bösartigkeit ausgeht.

Im 1. Weltkrieg ist Kisch in Serbien stationiert, wird verwundet, dann an die russische Front verlegt, verwundet, felduntauglich gesprochen und dann als Zensor im ungarischen Gyula eingesetzt. Hier beginnt dann die Ausprägung seiner politischen Ansichten, die sich noch verstärkt, als er ab 1917 dann im k.u.k. Kriegspressequartier arbeitet. Hier hat Kisch dann Kontakt zu kommunistischen Kräften und schlägt sich schnell auf ihre Seite. Kisch nahm in führender Rolle an der Gründung der Roten Garden in Österreich teil und unterstützte diese auch später noch durch seine Arbeit für die Zeitschriften „Der Freie Arbeiter“ und „Die Rote Garde“. Als es letztlich auch in Österreich nicht zur Errichtung einer sozialistischen Republik im kommunistischen Sinne kam, gab Kisch diese Tätigkeit – auch im Anbesicht sich häufender Angriffe – auf, wurde aber Mitglied in der Kommunistischen Partei Österreichs.

Hier haben wir dann also das Problem. Kisch war Kommunist. Das ist natürlich ein Problem, nicht nur im Prag oder Berlin der 1920er Jahre, sondern auch später. Aber nicht nur im Umgang mit der Person Kisch, sondern auch im Umgang mit seinen Texten ist diese Einstellung problematisch. Einerseits muss man sich bei Beschreibungen von Vertretern der Republik (ob dies nun die der Weimarer oder die der österreichischen Ersten Republik sind) stets die Frage nach der Beeinflussung des Porträts durch Kischs ideologische Grundhaltung stellen, aber andererseits ist eine derart offene ideologische Grundhaltung eben auch ein Vorteil beim Interpretieren bestimmter Passagen. Mal ganz davon abgesehen, dass der revolutionäre Kommunismus eines Kisch nicht viel mit dem Klischee des Kommunismus zu tun hat, das uns die Sowjetunion hinterlassen hat. Der andere große Teil in Kischs Werk sind seine Reiseberichte. Kisch war mehrfach in der jungen Sowjetunion, in der Mandschurei, in China, Australien, den USA und Mexiko. In England, Belgien und Dänemark ebenfalls, aber die großen Reportagen stammen aus den erstgenannten Ländern. Und hier ist eben auch eine Art der Betrachtung offenbar, die heute nicht nur nicht mehr üblich, sondern in Zeiten der objektiven Neutralität und der Political Correctness sogar verpönt ist. Kisch nimmt Partei, und das klar und deutlich. Ob es die Jungkommunisten sind, die in den islamisch geprägten Sowjetrepubliken die Unterdrückung der Frauen ausmerzen wollen, oder die Gefangenen in den Tombs in New York, die Bergarbeiter in Belgien oder die Chinesen außerhalb des europäischen Viertels in Shanghai. Kischs Reportagen bleiben trotz dieser Parteinahme spannend, interessant und vor allem – lesbar. Das ist nicht die primitive Propaganda, die man vielleicht schon mal gelesen hat, vom Paradies Kommunismus, sondern eine zwar parteiliche, aber eben nicht unkritische Sicht auf die Verhältnisse.

Ich lese Kisch also, weil er a) gut schreibt, b) über Dinge schreibt, die nicht mehr erlebbar sind und weil c) seine kommunistisch gefärbte Sichtweise dennoch nicht eintönig-dozierend wirkt, sondern Einblicke in Denkweisen gibt, die man heute nur noch schwer verstehen und vermitteln kann.
Ob es wohl eine neue kritische Ausgabe Kischs gibt? Die mir vorliegende zehnbändige Version aus dem Aufbau-Verlag ist noch zu DDR-Zeiten erschienen und leider auch in den Anmerkungen ideologisch gefärbt – ein Nachteil.

Auswandern

Blickt man sich vor den Bundestagswahlen in der politischen Landschaft um, wird man über kurz oder lang von einer Depression befallen.
Da gibt es einen Innenminister, der immer mal wieder Ideen hat, wie man doch das Grundgesetz oder andere lustige demokratische Einrichtungen verändern könnte, um mehr Sicherheit zu erlangen. Da gibt es eine Familienministerin, die lieber Stoppschilder aufstellt, als tatsächlich etwas gegen Kinderpornographie im Netz zu tun. Da gibt es Polizisten in Berlin, die statt ihre Dienstnummer herauszurücken lieber denjenigen schlagen, der danach fragt.
Dann gibt es Parteien, die sich entschließen, ihr Programm nicht durchzugendern – und dafür von angeblich progressiven Kräften angegangen werden. Dann gibt es Vize-Vorsitzende von Parteien, die ein Interview geben und dafür von großen Teilen der so genannten Blogosphäre und der Medien (zumindest von den interessierten) Prügel beziehen, aber nicht für die Inhalte des Interviews, sondern für die Zeitung, der sie das Interview gegeben haben.

Quo vadis, politische Kultur?
Bleibt eigentlich nur auswandern. Am besten nach China – da weiß man, was man kriegt.

Kindererziehung

Die letzten paar Tage verbrachte ich bei meiner Schwester. So eine Auszeit vom Studienalltag ist mal ganz nett. Urlaub war es allerdings nicht wirklich™ – denn ich verbrachte den Großteil der Zeit mit meinem nicht ganz zweijährigen Neffen. Der ist halt Kind und braucht Aufmerksamkeit, aber wenn man das nicht jeden Tag hat, ist es auch auszuhalten, obwohl es nicht das eigene Kind ist.1

Besonders interessant ist die Phase natürlich gerade, denn der Junge macht langsam das, was die englisch-sprechende Welt als „potty training“ kennt. Wir alle wissen ja, dass es irgendwann doch einfacher für alle Beteiligten ist, wenn man selbständig auf Toilette gehen kann und nicht mehr auf die Windeln angewiesen ist. Zu meiner Zeit gabs zu diesem Zweck einerseits Plastiktöpfchen und andererseits, für die Fortgeschrittenen sozusagen, Plastikeinsätze für das WC, damit man mit dem schmalen Hintern nicht durch die Brille rutscht. Man war als Kind ja immer stolz wie Oskar, wenn man was konnte „wie ein Erwachsener“. Nunja, Töpfchen gibts immer noch, aber irgendwie sind die jetzt anders… Weiterlesen


  1. bei eigenen Kindern ist ja alles anders, liest und hört man zumindest immer wieder 

Von der Sowjetunion lernen…

…heißt siegen lernen. Das gilt offenbar auch für die Deutsche Telekom, denn wie sollte man sonst eine Informationspolitik erklären, die erst jetzt zugibt, dass im Jahr 2006 17 Millionen Datensätze von Kunden gestohlen wurden? Anlass des zerknirschten Auftritts des Telekomsprechers war offenbar ein Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Das erinnert doch schon sehr an die sprichwörtlich langsame Informationspolitik der UdSSR in Zeiten des Kalten Kriegs. Dort wurde auch, so geht zumindest das Klischee, nur zugegeben, was eh schon bekannt war, ob es um den Gesundheitszustand des Genossen Andropow oder um etwaige Störfälle in Atomanlagen ging.
Und was einem totalitären Regime recht ist, kann einer Firma, die kritische Journalisten bespitzelt, natürlich nur billig sein.

Feststellungen

Wenn man im Rahmen eines Kneipengesprächs über Länder spricht, die mit ND aufhören, mit IS anfangen und irgendwo in der Mitte ein LA haben, ist es nur ein kurzer Schritt zur Feststellung, der Titel des Europameisters im Fußball berechtige zur Einführung eines LA im Landesnamen.
Daher heißt es ja auch Russland, Niederlande, Spalalanien, Italalien, Tschelachien, Franklalareich, Dänelamark…und Deutschlalaland. Wobei es ja eigentlich Sowjetlaunion heißen müsste, aber da das keiner aussprechen konnte, hat sich der Staat bekanntlich aufgelöst.